2003-2006, »Nobelpreis und Universität Wien – Gruppenbild mit Fragezeichen«, Wien, Österreich (pdf)

Der Nobelpreis ist die weltweit angesehenste wissenschaftliche Auszeichnung. Bisher standen neun Nobelpreisträger in Beziehung zur Universität Wien und verbrachten hier einen Teil ihrer wissenschaftlichen Laufbahn: Robert Bárány, Julius Wagner-Jauregg, Hans Fischer, Karl Landsteiner, Erwin Schrödinger, Viktor Franz Hess, Otto Loewi, Konrad Lorenz und Friedrich August von Hayek.

Angaben zu ihrer Verbindung mit der Universität Wien und weitere Informationen zu Leben und Werk der Nobelpreisträger – u.a. auch zur Diskussion ihrer Involvierung in den Nationalsozialismus oder aber ihre Vertreibung durch den Nationalsozialismus – finden Sie im Internet unter http://www.photoglas.com/upload/bildordnernobelpreis/presse.pdf


Die Stele mit dem Fragezeichen

... bildet das Zentrum der Installation. Sie ist Platzhalterin für alle WissenschafterInnen, deren Forschungen an der Universität Wien durch Antisemitismus, Nationalsozialismus und Vertreibung jäh unterbrochen wurden.

... verweist auf den fragwürdigen Umgang der Universität Wien mit den vertriebenen ForscherInnen. Einerseits wurde wenig unternommen, um die Vertriebenen nach 1945 wieder für die Universität zurückzugewinnen, andererseits wurden Vertriebene nach ihrer Auszeichnung mit dem Nobelpreis für Österreich vereinnahmt.

... steht für diese Leerstelle, die bis in die Gegenwart reicht und bleibt.

... verweist mit dem Titel „Nobelpreis und Universität Wien – Gruppenbild mit Fragezeichen“ auf fehlende Frauen.

... fragt nach dem Warum und blickt in die Zukunft. Wird es in Zukunft vor dem Hintergrund des noch immer nicht vollständig überwundenen Aderlasses einen/eine weitere/n Nobelpreisträger/ Nobelpreisträgerin geben? Und wird die Universität Wien in Zukunft immer stark genug sein, einen derartigen Umgang mit Menschen, aber auch mit Lehr- und Forschungsfreiheit hintanzuhalten und damit weitere NobelpreisträgerInnen ermöglichen?

Die Gesamtinszenierung – inklusive einer sachlichen Aufarbeitung der Vergangenheit – kann mit dem bildlichen Vergegenwärtigen von außerordentlichen wissenschaftlichen Leistungen als Motivation für die Zukunft und ihre Möglichkeiten gesehen werden.



Mit der künstlerischen Konzeption und technischen Ausführung wurden die KünstlerInnen Bele Marx & Gilles Mussard beauftragt. Der neue Kontext wurde mit Roger Baumeister, dem mit dem Umbau und der Sanierung von Aula, Seitenaulen und Arkadenhof der Universität beauftragten Architekten, sowie dem Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien unter Leitung von Friedrich Stadler und Herbert Posch erarbeitet. Die Bildrechte liegen bei Imagno, brandstätter images (für K. Landsteiner, E. Schrödinger, V. F. Hess, O. Loewi), ÖNB, Österreichische Nationalbibliothek (für R. Bárány, J. Wagner-Jauregg, F. A. von Hayek) und der Universität Wien (für K. Lorenz, H. Fischer). Planung und Realisierung: 2003-2006, Eröffnung am 29. Juni 2006.



Text von Gabriele Ruff

Im Zuge der Fertigstellung des Umbaus und der Sanierung von Aula, Seitenaulen und Arkadenhof der Universität Wien wurde für die Portraitbildnisse der Nobelpreisträger ein neuer Ausstellungsort innerhalb des Universitätsgebäudes und gleichzeitig eine neue Form der Präsentation gewählt. Bislang waren es neun Wissenschafter – Robert Bárány, Julius Wagner-Jauregg, Hans Fischer, Karl Landsteiner, Erwin Schrödinger, Viktor Franz Hess, Otto Loewi, Konrad Lorenz, Friedrich August von Hayek – die mit der Universität Wien durch Forschung oder Lehre verbunden waren und mit der Verleihung des Nobelpreises die wohl meist angesehene internationale Auszeichnung entgegennehmen durften.

Das Projekt wurde in Kooperation mit Roger Baumeister, dem Architekten für die Neugestaltung des Hauptgebäudes der Universität und dem Institut für Zeitgeschichte unter der Leitung von Friedrich Stadler zusammen mit Herbert Posch realisiert. Mit der Neu-Disposition der Portraitfotos wurden Bele Marx & Gilles Mussard (Atelier Photoglas) betraut, die zur Durchführung der Konzeption ihre Technologie Photoglas eingesetzt haben. Mit diesem Verfahren konnten die Portraitfotos zwischen zwei Glasschichten zu unterschiedlich hohen Stelen verarbeitet werden, wobei die Fixierung in Metallbasen eine autonome Aufstellung im Raum ermöglicht. Als Aufstellungsort dient eine Wandnische in der Aula, in der Nähe des Haupteingangbereichs der Universität. Neben der Positionierung der Stelen ist die Komposition der Bildnisse ein wesentliches Raum bildendes Element. Einerseits »schließen« die verschiedenen Blickrichtungen das Gruppenbild und bekunden damit eine werkimmanente Einheit, andererseits ermöglichen sie dem/r BetrachterIn von unterschiedlichen Standpunkten aus, sowohl mit dem Einzelbildnis als auch mit der gesamten Bildnisgruppe zu korrespondieren. In der rhythmischen Abfolge von oben und unten, davor und dahinter in der Aufstellung wird eine Dynamik bewirkt, die dem Aufstellungsort grundsätzlich entspricht, denn der Eingangsbereich zählt zu den meist frequentierten Bereichen des Gebäudes – er ist Verteiler aber auch
Versammlungsort.

Lampen im Sockelunterbau dienen der gezielten Licht-Schatten-Inszenierung. Die Wandnische übernimmt einen dualen Aspekt in der Aufstellung, sie ist sowohl Rahmen als auch erweiterter Kunstraum, begrenzender Hintergrund als auch als aktive Fläche für die fluktuierenden Schatten-Bild-Projektionen.

Das Inkorporieren der durchsichtigen Bildvorlage in Glas verstärkt die »Sichtbarmachung« des Sujets. Mit der gewonnenen Plastizität einerseits und der transparenten »Verpackung« der Fotografien andererseits, wird den Portraitbildnissen eine zeitgemäße Präsentationsform verliehen, die eine Möglichkeit herausfordert die Immobilität des Repräsentationsportraits zu überwinden. Die Portraitierten selbst sind in ihren jeweiligen Zeitkontexten und unterschiedlichen Lebensalter zu sehen. Sie konfrontieren den/die BetrachterInnen mit einer zeitlichen Distanz und mit einer gewissen Strenge und Würde. Dem »Gruppenbild« gelingt es durch die Unmittelbarkeit in der Inszenierung die Distanz zum/r BetrachterIn zu relativieren.

Die sich im Zentrum der Installation befindende Stele mit Fragezeichen steht stellvertretend für alle WissenschafterInnen, deren Forschungen an dieser Universität durch Antisemitismus, Nationalsozialismus und Vertreibung jäh unterbrochen wurden. Die Verkörperung dieser Leerstelle, die bis in die Gegenwart reicht, erinnert aber auch an den fragwürdigen Umgang der Universität Wien mit den vertriebenen ForscherInnen. Einerseits wurde wenig unternommen, um die Vertriebenen nach 1945 wieder für die Universität zurückzugewinnen, andererseits wurden Vertriebene nach ihrer Auszeichnung mit dem Nobelpreis für Österreich vereinnahmt.

Die gesamte Installation – begleitet von einer fundierten Aufarbeitung der Vergangenheit – kann mit dem Abbild dieser großen Vertreter von wissenschaftlichen Leistungen und Erfolgen auch als Motivation für die Zukunft der universitären Forschung und Wissenschaft gesehen werden.